Die Geschichte der kommunalen Neugliederung ist auch die Geschichte unserer gemeinsamen Identität. Thematische Überlegungen zur Bedeutung der kommunalen Neugliederung des OGV-Vorsitzenden Michael D. Gutbier.

"Die Geschichte der kommunalen Neugliederung ist auch die Geschichte unserer gemeinsamen Identität." Mit dieser Aussage führte der 1. Vorsitzende des OGV, Michael D. Gutbier M.A., am 29. November 2025 im Erholungshaus der Bayer AG in Leverkusen in die Festveranstaltung aus Anlass "50 Jahre Kommunale Neugliederung" ein. Seine Ausführungen können Sie hier lesen.

Der 1. Vorsitzende des OGV, Michael D. Gutbier M.A., führte am 29. November 2025 im Erholungshaus der Bayer AG in Leverkusen in die Festveranstaltung aus Anlass "50 Jahre Kommunale Neugliederung" ein. Seine Ausführungen können Sie hier lesen:

"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Hebbel,
sehr geehrte Damen und Herren,
verehrte Gäste aus Rat, Verwaltung, Kultur und Stadtgesellschaft,

ich begrüße Sie im Namen des Opladener Geschichtsvereins von 1979 e.V. Leverkusen (OGV) ganz herzlich zur heutigen Festveranstaltung anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der kommunalen Neugliederung unserer Stadt – hier im Erholungshaus der Bayer AG, einem der herausragenden Orte, welcher wie wenige andere für die Geschichte und Kultur unserer Stadt steht.

Die Geschichte der kommunalen Neugliederung ist auch die Geschichte unserer gemeinsamen Identität. Es war ein Schritt, der nicht nur Verwaltungsebenen neu ordnete, sondern tief in das Leben der Menschen in dieser Region eingriff. Die Neugliederung trug maßgeblich dazu bei, dass aus verschiedenen, bis dahin weitgehend eigenständigen Städten und Stadtteilen eine gemeinsame Stadt wurde – ein urbaner Raum, der mit all seinen vielfältigen Bedürfnissen, Herausforderungen und Chancen eine neue Zukunft gestalten sollte.

Damit sind wir mitten in der eigentlichen Frage dieses Abends:
War die kommunale Neugliederung von 1975 die „Geburtsstunde“ einer neuen Stadt Leverkusen – oder war sie eher das Weiterleben des alten Leverkusen in neuen Grenzen?
Für viele Menschen war sie zunächst keine abstrakte Verwaltungsreform, sondern ein persönlicher Einschnitt: vertraute kommunale Strukturen gingen verloren, alte Namen und Zuständigkeiten verschwanden, liebgewonnene Selbstverständlichkeiten wurden in Frage gestellt.

Es gab Verwundungen:
- das Gefühl, „eingemeindet“ statt „mitgenommen“ worden zu sein,
- die Sorge, dass lokale Identitäten in Opladen, Bergisch Neukirchen, Hitdorf oder anderen Stadtteilen zugunsten eines abstrakten „Groß-Leverkusen“ verschwinden könnten,
- und natürlich die Wahrnehmung, dass es Gewinner und Verlierer dieser Reform gegeben hat – politisch, administrativ, emotional.

Gleichzeitig war diese Neugliederung eine große Chance:
- die Möglichkeit, Ressourcen zu bündeln und gemeinsam zu planen,
- die Entwicklung eines urbanen Raumes, der mehr ist als die Summe seiner Teile,
- und die Perspektive, eine Stadt zu werden, in der sich Menschen aus unterschiedlichen Traditionen wiederfinden können.

Ob wir es mit einer Erfolgsgeschichte zu tun haben, ist deshalb keine einfache Ja-oder-Nein-Frage. In den vergangenen 50 Jahren hat Leverkusen eine beeindruckende Entwicklung genommen: wirtschaftlich, städtebaulich, kulturell und sozial. Aus einer industriell geprägten Stadt im Schatten großer Werke ist eine Stadt geworden, die gelernt hat, Brüche auszuhalten, Strukturwandel zu bewältigen und neue Formen von Stadtleben zu gestalten. Zugleich bleiben manche Verwundungen, manche Skepsis, manche alte Geschichte in Biografien und Stadtteilen spürbar.

Für die Identität der Menschen bedeutet das: Leverkusen ist bis heute eine Stadt der Mehrfachzugehörigkeiten. Viele sagen nicht nur „Ich bin Leverkusenerin“ oder „Ich bin Leverkusener“, sondern auch: „Ich bin Opladener“, „Ich komme aus Schlebusch“, „Ich bin Hitdorferin“. Diese mehrschichtige Identität ist kein Mangel, sondern eine Stärke. Sie verlangt aber danach, erklärt, ernst genommen und gemeinsam erzählt zu werden.

Genau hier setzt die Arbeit des OGV an – und hier hat unser Programm in den letzten Jahren versucht, beizutragen: indem wir zeigen, wo es Brüche und Konflikte gab, indem wir Gewinner- und Verlierer-Narrative sichtbar machen und zugleich versuchen, sie historisch einzuordnen und zu relativieren. Und nicht zuletzt, indem wir Räume schaffen, in denen Menschen über ihre Erfahrungen sprechen können. Vieles davon werden wir heute Abend sicher auch noch hören.

Wir freuen uns, dass Sie heute gemeinsam mit uns auf ein halbes Jahrhundert Stadtgeschichte blicken – auf fünfzig Jahre Entwicklung, Wandel und Zusammenwachsen – und auf die Menschen, die Leverkusen geprägt, gestaltet und zu dem gemacht haben, was es heute ist. Und es ist bemerkenswert zu sehen, wie dynamisch und lebendig diese Stadt nach wie vor bleibt: von der industriellen Entwicklung, die bis heute im Gefüge der Stadt spürbar ist, bis hin zu kulturellen und sozialen Entwicklungen, die unser Zusammenleben prägen. Leverkusen hat sich in vielerlei Hinsicht neu erfunden – und tut es weiterhin.

Mein besonderer Gruß gilt Ihnen, Herr Oberbürgermeister Stefan Hebbel, und allen Vertreterinnen und Vertretern des Rates und der Bezirksvertretungen, die heute hier sind. Ihr Engagement für diese Stadt schafft die Rahmenbedingungen dafür, dass wir unsere Geschichte nicht nur bewahren, sondern aktiv in die Zukunft tragen können.

Ebenso herzlich möchte ich alle Vertreterinnen und Vertreter aller anwesenden Leverkusener Vereine und Kultur- und weiteren Einrichtungen begrüßen. Ihre Arbeit im Bereich der Kultur und Geschichtsvermittlung ist unverzichtbar für die Identität und das Gedächtnis dieser Stadt.

Ein besonders herzlicher Gruß gilt heute auch den Mitgliedern und Aktiven des OGV. Ohne Euer ehrenamtliches Engagement, Eure Neugier und Eure Leidenschaft für Geschichte wäre die Arbeit unseres Vereins – und damit ein wesentlicher Teil der Geschichtsvermittlung in unserer Stadt – nicht möglich. Der OGV wäre ohne die kommunale Neugliederung nicht denkbar gewesen, bildeten doch die mit ihr verbundenen Herausforderungen und Veränderungen ein wesentliches Motiv, sich mit der Geschichte unserer Stadt in ihrer neuen Gestalt auseinanderzusetzen.

Seit der Gründung des Vereins im Jahr 1979 haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, die Geschichte dieser Stadt und ihrer Menschen lebendig zu halten. Der OGV versteht sich als Motor und Vermittler historischer Bildung und kultureller Identität. Wir erforschen, dokumentieren und vermitteln Geschichte – lokal verankert, wissenschaftlich fundiert und zugleich bürgernah. In dieser Rolle ist der OGV heute ein fester Bestandteil der Kulturlandschaft Leverkusens und ein verlässlicher Partner, wenn es darum geht, historische Zusammenhänge sichtbar zu machen und daraus Zukunft zu gestalten.

Dass wir diese Festveranstaltung gemeinsam mit der Stadt Leverkusen ausrichten dürfen, ist für uns eine besondere Freude und zugleich Ausdruck dieser partnerschaftlichen Verbundenheit. Es ist nur folgerichtig, dass wir den Blick auf 50 Jahre Stadtgeschichte gemeinsam richten – als Stadt und als Verein, die beide Verantwortung für Erinnerung und Weiterentwicklung tragen. Mein Dank geht an den Fachbereich Kultur und Stadtmarketing.

Ebenso herzlich begrüße und danke ich allen, die uns im Verlauf des Abends von ihren Erinnerungen an die Jahre der kommunalen Neugliederung und über ihre heutige Sicht und Wahrnehmung berichten werden. Sie haben die Veränderungen jener Zeit bis heute erlebt und mitgestaltet – ihre Perspektiven geben unserer gemeinsamen Geschichte ein Gesicht und sind ein wichtiger Teil des kollektiven Gedächtnisses und der lebendigen Geschichte, die wir alle gemeinsam fortschreiben.

Mein Dank gilt außerdem dem Bayer-Blasorchester, das die musikalische Gestaltung des Abends übernimmt und mit seinem Spiel den festlichen Charakter dieser Veranstaltung unterstreicht. Musik hat in unserer Stadtgeschichte immer eine wichtige Rolle gespielt und ist ein wunderbares Medium, um sowohl die Tradition zu bewahren als auch einen Blick in die Zukunft zu wagen.

Doch dieser Abend soll nicht nur Rückblick sein, sondern auch Ausblick:
Wie bleibt Stadtgeschichte lebendig in einer Stadt, die sich ständig wandelt?
Wie kann das Wissen um unsere Geschichte Identität, Zusammenhalt und demokratisches Bewusstsein stärken?


Wenn wir diese Fragen ernst nehmen, dann heißt das auch:
Wir müssen der Geschichte sichtbare Orte in dieser Stadt geben – Orte, an denen man sich mit Stadtgeschichte auseinandersetzen kann, an denen Geschichte erfahrbar wird, an denen wir lernen können, wie aus Vergangenheit Gegenwart wurde. Solche Orte – Ausstellungen, Erinnerungsplätze, Bildungsangebote – helfen uns, aus der Geschichte Schlüsse für das Heute zu ziehen und Verantwortung für das Morgen zu übernehmen. Vor diesem Hintergrund bleibt trotz aller Widrigkeiten ein Leverkusener Institut für Stadtkultur und Stadtgeschichte, wie es der Rat 2022 beschlossen hat, eine Vision der Geschichtsvereine.

Diese Fragen begleiten die Arbeit des OGV – und sie bleiben Leitmotiv für unsere gemeinsame Zukunft. In einer Welt, in der sich Städte schneller verändern als je zuvor, ist es umso wichtiger, die Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart sichtbar zu machen und aus diesen Verbindungen die Grundlage für die Gestaltung der Zukunft zu ziehen.

Im Jahr 2026 hat der OGV das Thema Stadt als Teil unseres Veranstaltungskanons „Freiheit – Stadt – Gesellschaft“ fest im Blick und wird das Thema Stadtentwicklung Leverkusens bis 2030 vielfältig betrachten, erforschen und der Stadtgesellschaft zugänglich machen.

Und wir beginnen damit sehr konkret und sehr bald:
Bereits am 11. Januar 2026 starten wir mit einer Geschichtsmatinee, die den demokratischen Neubeginn vor über 80 Jahren hier in Leverkusen nachzeichnet.
Wir wollen damit zeigen, wie sehr demokratische Kultur, kommunale Selbstverwaltung und städtische Identität zusammengehören – damals wie heute.

Im weiteren Jahresprogramm 2026 möchten wir darüber hinaus die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts in den Blick nehmen: Fragen zur nachhaltigen Stadtentwicklung, zur sozialen Integration und zur Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger im urbanen Wandel.

Wir dürfen und wollen die Geschichte Leverkusens nicht nur bewahren, sondern aktiv mitgestalten. Jeder von uns trägt heute Verantwortung für die Geschichte der kommenden Generationen, und es liegt an uns, diese Verantwortung mit Engagement und Weitblick zu tragen.

Ich wünsche uns allen eine inspirierende, festliche und zugleich nachdenkliche Veranstaltung, viele gute Gespräche – und einen Abend, der die Geschichte Leverkusens würdigt und zugleich Mut für ihre Zukunft gibt.

Vielen Dank!"