Sport als Mittel der betrieblichen Sozialpolitik bei Bayer und Henkel: Sporthistoriker Andreas Luh referierte in der Online-Vortragsreihe „Weimar in der Region“

Wenn von Bayer 04 Leverkusen in den Medien die Rede ist, fallen nicht selten Vokabeln wie „Plastikclub“ oder „Kunstprodukt“. Auch die weit verbreitete Mär, der Bundesligist verfüge über „keine Tradition“, hält sich hartnäckig. Dass der Fußball bei Bayer in Leverkusen jedoch auf eine über 100-jährige Geschichte zurückblicken kann, war Thema eines virtuellen Vortrags kurz vor Weihnachten:

Wenn von Bayer 04 Leverkusen in den Medien die Rede ist, fallen nicht selten Vokabeln wie „Plastikclub“ oder „Kunstprodukt“. Auch die weit verbreitete Mär, der Bundesligist verfüge über „keine Tradition“, hält sich hartnäckig. Dass der Fußball bei Bayer in Leverkusen jedoch auf eine über 100-jährige Geschichte zurückblicken kann, war Thema eines virtuellen Vortrags kurz vor Weihnachten: Der Bochumer Sporthistoriker Prof. Dr. Andreas Luh unternahm eine Zeitreise in die Anfangszeit von Bayer 04 und referierte über die unternehmens- und sportpolitische Bedeutung des Betriebssports im Rheinland in der Zwischenkriegszeit am Beispiel von Bayer und Henkel. Vielleicht lag es auch an dem durch die vom Bayer-04-Fandachverband NK12 jüngst realisierte „Fußball-Route“ noch einmal gesteigerten Interesse an der Frühgeschichte des Sports bei Bayer 04, dass der virtuell via Zoom übertragene Vortrag mit über 30 Teilnehmern und einer umfangreichen Presseberichterstattung eine erfreulich große Resonanz fand.

Prof. Luh berichtete zunächst über die Ursachen der Gründung von Betriebssportvereinen in den Jahrzehnten um die Jahrhundertwende 1900. Sowohl bei Bayer als auch bei dem Düsseldorfer Familienunternehmen Henkel war ein entscheidendes Motiv, die Attraktivität der Werksanlagen zu steigern, die in beiden Fällen – sowohl in Leverkusen als auch in Düsseldorf-Holthausen – „auf der grünen Wiese“ entstanden sind und denen eine Infrastruktur außerhalb des Werks weitgehend fehlte. Bei Bayer setzte sich Carl Duisberg persönlich für die Gründung von Betriebssportvereinen ein, um der zu einem beträchtlichen Teil aus Elberfeld nach Leverkusen gezogenen Belegschaft etwas bieten zu können.

In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, die vielfach durch wirtschaftliche und politische Instabilität gekennzeichnet war, rückte aus der Perspektive der Arbeitgeber ein weiteres Motiv für die Förderung der Betriebssportvereine in den Vordergrund: Sie waren eine gute Möglichkeit, durch betriebseigene Freizeitmöglichkeiten die Identifikation der Arbeiter mit ihrem Arbeitgeber zu stärken und sie von Aktivitäten in den Arbeitervereinen und Gewerkschaften abzuhalten, um dadurch Unruhen oder Streiks vorbeugen zu können. In seinem sehr quellennahen und dank zahlreicher Fotos aus den Unternehmensarchiven von Bayer und Henkel kurzweilig gestalteten Vortrag ging Prof. Luh auch kurz auf die Rolle des Betriebssport im Nationalsozialismus und deren Umgestaltung durch die Deutsche Arbeitsfront ein.

Somit war der Vortrag ein sehr gelungener Abschluss der virtuellen Veranstaltungsreihe „StadtRäume – Weimar in der Region“, die vom Opladener Geschichtsverein als Teil des großangelegten Projektes „StadtRäume“ gemeinsam mit dem Jülicher Geschichtsverein und dem LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte bzw. dem Portal Rheinische Geschichte durchgeführt wurde. Die Thematik soll im Rahmen eines Studientages, der im August 2022 in Leverkusen durchgeführt wird, mit Vorträgen und Diskussionen wieder aufgegriffen werden. Wir danken Prof. Luh bereits jetzt dafür, dass er zugesagt hat, das Thema seines Vortrages in einem Aufsatz für einen 2023 erscheinenden Sammelband zur Veranstaltungsreihe zu verschriftlichen.