StadtRäume

StadtRäume der Zwischenkriegszeit im Rheinland und in Europa (1918–1939)

Die Jahre zwischen den Enden des Ersten Weltkrieges und den Anfängen des Zweiten Weltkrieges, die im deutschsprachigen Europa gemeinhin als „Zwischenkriegszeit“ bezeichnet werden, werden ganz unterschiedlich gedeutet: Je nach Blickwinkel unter anderem als „Urkatastrophe“ oder als „Höllensturz“, insgesamt aber als Phase besonders ausgeprägter politischer und wirtschaftlicher Instabilität und Krisenhaftigkeit. Im Fokus des Kooperationsprojektes zur Stadtentwicklung in der Zwischenkriegszeit in Europa (1918-1939), das der Jülicher Geschichtsverein 1923 e.V. gemeinsam mit dem Opladener Geschichtsverein von 1979 e.V. Leverkusen leitet, stehen acht europäische Städte. Die Forschung wird von den Geschichtsvereinen, Archiven, Museen, Universitäten etc. in den beteiligten Städten Bracknell (UK), Jülich (DE), Leverkusen (DE), Ljubljana (SI), Oulu (FI), Raciborz (PL), Schwedt / Oder (DE) und Villeneuve d’Ascq (FR) betrieben.

Das Projekt verfolgt mehrere Ziele: Im Mittelpunkt steht die Konzeption eines digitalen Filmbaukastens. Es handelt sich hierbei um ein innovatives Vermittlungskonzept für die historisch-politische Bildungsarbeit, das unterschiedliche Adressaten ansprechen und multifunktional verwendbar sein soll. Die transnationale Zusammenarbeit erlaubt einen europäischen Vergleich der Stadtentwicklung, bei dem zum einen Gemeinsamkeiten wie Unterschiede in der äußerlichen Entwicklung, zum anderen die Entwicklung des städtischen (Geschichts-)Bewusstseins erkundet werden, um deren komplementäre Beziehung aufzudecken. Für Jülich und Leverkusen wird eine Doppelausstellung vorbereitet, die 2023 / 2024 von einem umfangreichen Kulturprogramm mit Vorträgen, Exkursionen, Konzerten, Filmvorführungen und Ausstellungen in der ganzen Rheinschiene begleitet werden wird. Dabei wird vor allem auf das Jahr 1923 fokussiert, das mit Hyperinflation, separatistischen Unruhen und Ruhrkampf von einer dichten Folge von Krisen geprägt war, in dem aber auch der Jülicher Geschichtsverein gegründet wurde.

Das Kulturprogramm, das von einem umfangreichen „Entdeckerbuch“ begleitet wird, startet mit einer Fachtagung, die am 31. März und 1. April in der Thomas-Morus-Akademie / Kardinal-Schulte-Haus Bensberg stattfindet. Auf dieser stellen ausgewiesene Fachleute ihre Erkenntnisse zu Themen der Bildung, der Wirtschaft und der politischen Festkultur vor. Ein offener Akademieabend am 31. März, der einen facettenreichen und unterhaltsamen Einblick in das Gesamtprojekt gibt, rundet das Programm der Fachtagung ab.

Informationen zum Gesamtprojekt und zu den Veranstaltungen finden sich unter https://star-urbs.eu


Das Kulturprogramm 2023 im Entdeckerbuch

OGV und JGV legen mit ihren „Entdeckerbuch“ einen Leitfaden zum umfangreichen Kulturprogramm im Rahmen des „StadtRäume“-Projektes, das von April 2023 bis Februar 2024 im gesamten Rheinland stattfinden wird, vor. Entdecken Sie das vielfältige Angebot aus Ausstellungen, Publikationen, Konzerten, einer hybriden Vortragsreihe, Filmabenden sowie Exkursionen und Workshops!

Das Angebot:


AUSSTELLUNGEN

Doppelausstellung in Jülich und Leverkusen

JÜLICH UND LEVERKUSEN – STADTRÄUME ZWISCHEN DEN KRIEGEN

Einen unbestreitbaren Höhepunkt des „StadtRäume“-Programms bildet die Doppelausstellung in Jülich und Leverkusen. Sie konzentriert sich auf die frühen 1920er-Jahre im Westen der Weimarer Republik. Dabei werden zwei StadtRäume in den Blick genommen, die durch den unterschiedlichen Grad der Industrialisierung einerseits sehr verschieden waren, sich andererseits aber mit Besatzung und Hyperinflation vor ähnliche Herausforderungen gestellt sahen.

Jülich war über Jahrhunderte als Festungsstadt vom Militär geprägt, sodass der Anschluss an moderne Entwicklungen wie Eisenbahn und Industrie verzögert erfolgte. Da sich schon vor dem Ersten Weltkrieg das Ende Jülichs als Militärstandort

abzeichnete, wurde mit der Errichtung des Eisenbahnausbesserungswerkes im Süden der Stadt eine Kompensation geschaffen. Dieses Werk gab der Stadtentwicklung Jülichs insoweit einen Schub, dass innerhalb kürzester Zeit Wohnraum für die Beschäftigten und ihre Familien geschaffen werden musste. Umso belastender war die belgische und französische Besatzung nach dem Ersten Weltkrieg; führte diese doch zu einer dramatischen Verknappung des Wohnraums. Die Besatzung endete erst 1929. Dennoch waren die 1920er-Jahre in Jülich von zahlreichen Modernisierungen geprägt, die nicht nur Folgen des steigenden motorisierten Verkehrs auf den Straßen waren. Auch und gerade die Schaffung von Voraussetzungen zur aktiven Freizeitgestaltung mit Sportstätten und Naherholungsgebieten stand im Fokus der Stadtverwaltung.

Die Stadt Leverkusen wurde tatsächlich erst 1930 gegründet, nachdem das Werk der Firma Bayer in Wiesdorf zu einer der größten chemischen Industrieanlagen im Deutschen Reich geworden war. In direkter Nachbarschaft lag die Stadt Opladen, die als Sitz des Landkreises Solingen einen wichtigen Verwaltungsstandort bildete. Auch hier gab es wie in Jülich ein Bahnausbesserungswerk, aber auch andere Industriestandorte, die bereits im 19. Jahrhundert die bis dahin eher agrarisch geprägte Gegend stark verändert hatten. Die Anbindung an die Eisenbahn und die Nähe zum Rhein als wichtigem Transportweg beförderten die wirtschaftliche Entwicklung des Raums der heutigen Großstadt Leverkusen mit allen Herausforderungen einer stetig wachsenden Bevölkerung.

Die Doppelausstellung fokussiert auf das Jahr 1923, nimmt aber den gesamten Zeitraum der „Zwischenkriegszeit“ in den Blick. Die Präsentation wird eng verknüpft sein mit dem digitalen Filmbaukasten und den dortigen Themenfeldern Politik, Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft, die unter den Aspekten von Internationalisierung und Modernisierung betrachtet werden. Zudem werden die in der Ausstellung behandelten Themen über Info-Punkte in den jeweiligen Stadtraum zurückgespiegelt. Dadurch ergibt sich eine interessante Wechselwirkung zwischen Stadt, Ausstellung und virtuellem Raum, die außerdem durch ein umfangreiches Begleitprogramm miteinander in Beziehung gesetzt werden.

in Leverkusen: 9.9.2023–25.2.2024, Villa Römer – Haus der Stadtgeschichte Leverkusen
Ausstellungseröffnung: Samstag, 9. September 2023, 11.00 Uhr

in Jülich: 9.9.2023–6.4.2025,  Pulvermagazin des Museums Zitadelle Jülich
Ausstellungseröffnung: Freitag, 8. September 2023, 19.00 Uhr (Schlosskapelle)


EXKURSIONEN

LEVERKUSEN UND JÜLICH STADTRÄUME IN LEVERKUSEN UND JÜLICH

Sie wollen beide Standorte der Doppelausstellung „StadtRäume“ an einem Tag erleben und zudem in den Genuss eines ganz besonderen Konzerts kommen? Dann bietet sich die Teilnahme an den beiden Tagesfahrten an, die wir am 4.11.2023 und am 24.2.2024 durchführen. Im November 2023 starten wir mit einer Führung durch die Ausstellung in der Villa Römer – Haus der Stadtgeschichte in Leverkusen. Aus erster Hand erhalten Sie hier Einblicke in die bewegte Geschichte des Raumes Leverkusen zwischen den beiden Kriegen. Nach dem gemeinsamen Mittagsimbiss fährt der Bus nach Jülich. Hier steht dann der Jülicher Teil der Doppelausstellung auf dem Programm. Nach einer kurzen Kaffeepause erwartet Ihre Ohren ein besonderes Highlight: In der Schlosskapelle der Zitadelle Jülich führen Irmelin Sloman und Thomas Palm ihr Programm „Tanz auf dem Vulkan“ auf, das sich der Musik der „Zwischenkriegszeit“ widmet. Im Februar 2024 drehen wir das Programm um: Wir starten mit der Ausstellungsführung in Jülich und enden mit der Konzertaufführung in der Musikschule Leverkusen.

TAGESFAHRTEN

SAMSTAG, 4.11.2023 (entfällt!)
Abfahrt Jülich, Bahnhof (08:45 Uhr)
Antritt der Rückreise ca. 19:00 Uhr

SAMSTAG, 24.2.2024
Abfahrt Leverkusen, Villa Römer (08:45 Uhr)
Antritt der Rückreise ca. 19:00 Uhr

LEISTUNGEN
Bustransfer von Jülich nach Leverkusen bzw. Leverkusen nach Jülich und jeweils zurück, Besuch der Doppelausstellung, Mittagessen, Konzertbesuch

PREIS
75,00 € für Nicht-Mitglieder
70,00 € für Mitglieder von JGV und OGV

TEILNEHMENDE
min. 20 Personen

REISE-NR.
VG 5179 (4.11.2023)
VG 5180 (24.2.2024)

ANMELDUNG
https://ogv-leverkusen.de/programm/anmeldung-zu-fahrten


ausstellungsbegleitende Vorträge

in Leverkusen und Jülich

Parallel zur Doppelausstellung finden in Jülich und Leverkusen jeweils drei Vorträge statt.

Zwei greifen thematische Aspekte der Ausstellung auf und vertiefen sie anhand konkreter Beispiele:

Am 8.11.2023 in Leverkusen und am 25.10.2023 in Jülich stehen die Themenfelder Politik und Wirtschaft im Fokus und am 3.1.2024 in Jülich und am 7.2.2024 in Leverkusen Gesellschaft und Kultur.

Zudem wird am 29.11.2023 in Jülich der Jülicher Zeitungsverleger und Politiker Adolf Fischer vorgestellt und am 3.1.2024 in Leverkusen der Solinger Landrat Adolf Lucas und seine über viele Jahre zu verfolgende Korrespondenz mit dem Industriellen Carl Duisberg.

Im einzelnen werden angeboten:

DER OPLADENER LANDRAT ADOLF LUCAS (1862–1945) UND DER „ERBAUER“ DES LEVERKUSENER BAYERWERKS CARL DUISBERG (1861–1935)

MITTWOCH, 3.1.2024 (VERSCHOBEN - ursprünglich 6.12.2023)
18:30 Uhr
Referenten: Michael D. Gutbier und Philipp Schaefer
Ort: Villa Römer – Haus der Stadtgeschichte Leverkusen,
Haus-Vorster Straße 6, 51379 Leverkusen

GESELLSCHAFT UND KULTUR ZWISCHEN DEN KRIEGEN IN JÜLICH

MITTWOCH, 31.01.2024
19:30 Uhr
Referenten: Mitglieder der Jülicher „StadtRäume“-AG
Ort: Schlosskapelle der Zitadelle Jülich,
Schlossstraße, 52428 Jülich

GESELLSCHAFT UND KULTUR ZWISCHEN DEN KRIEGEN IN LEVERKUSEN

MITTWOCH, 07.02.2024
18:30 Uhr
Referenten: Mitglieder der Leverkusener „StadtRäume“-AG
Ort: Villa Römer – Haus der Stadtgeschichte Leverkusen,
Haus-Vorster Straße 6, 51379 Leverkusen


Alle Vorträge sind hybride Veranstaltungen .



WANDERAUSSTELLUNG

GELD ZERBASCH! – DIE HYPERINFLATION VON 1923 IM RHEINLAND IM SPIEGEL DES NOTGELDS

EINE AUSSTELLUNG DES BERGISCHEN GESCHICHTSVEREINS RHEIN-BERG E.V. AUS DER SAMMLUNG MAX MORSCHES

Der Erste Weltkrieg hatte das Geldsystem des Deutschen Reichs destabilisiert: Münzgeld aus Edelmetall wurde möglichst eingezogen, was wiederum zum Horten von Silber- und Goldmünzen durch die Bevölkerung führte. Ersatzweise wurden Münzen aus billigem Blech, Zink oder Aluminium ausgegeben, aber auch erste Scheine mit Kleingeldwerten, aus denen sich die bunten sogenannten Serienscheine als beliebte Sammelmaterie entwickelten. Durch nicht gedeckte Kriegsanleihen und hohe Ausgaben verschuldete sich der Staat und setzte eine Geldentwertung in Gang, weil immer mehr Geld in Umlauf gebracht werden musste. Die nach Kriegsende dem Deutschen Reich auferlegten Reparationen, die Ausgleichszahlungen für Kriegsschäden, heizten die Geldentwertung zusätzlich an. Im Rheinland kam dazu noch die Besetzung der linken und erheblicher Teile des rechten Rheinufers, für deren Kosten ebenfalls das Reich aufzukommen hatte. Als Anfang 1923 zur Sicherung der Reparationszahlungen Franzosen und Belgier auch noch ins Ruhrgebiet einmarschierten, rief die Reichsregierung einen Generalstreik aus und übernahm alle dabei

entstehenden Kosten. Das führte im Laufe des Jahres 1923 zur Hyperinflation, d. h. zur sich in rasender Geschwindigkeit entwickelnder Geldentwertung. Da die Reichsbank und ihre Notendruckereien nicht mehr mit der Herstellung neuer, immer höher lautender Geldscheine nachkamen, sahen sich Kommunen, Firmen und andere Institutionen genötigt, eigene Zahlungsmittel auszugeben, für die längst kein Gegenwert mehr existierte. Dieses Inflationsgeld reicht von improvisierten Gutscheinen über Einheitsformulare bis hin zu sorgfältig gestalteten Ersatzbanknoten. Der rasanten Geldentwertung versuchte man aber auch mit dem Anschluss an ausländische Währungen und sogar an Sachwerte beizukommen. Mit Hilfe der ehemaligen Kriegsgegner gelang es schließlich im November 1923, die Renten-, später Reichsmark als neue, stabile Währung einzuführen. Damit wurden alle auf die alte Währung lautenden Geldvermögen und vergleichbare Werte, aber auch Schulden mit einem Schlag vernichtet; nur Sachwerte blieben bestehen. Trotzdem war dieser Schritt unvermeidlich: Die Etablierung eines neuen, stabilen Währungssystems ermöglichte für einige Jahre die Erholung der Wirtschaft und die legendären „Goldenen Zwanziger“, die in der 1929 einsetzenden Weltwirtschaftskrise ihr Ende fand.

Die Bestände der Sammlung Max Morsches aus Bergisch Gladbach sowie die ergänzenden Stücke illustrieren die Entwicklung der Hyperinflation von 1923 und geben einen Einblick in die erstaunliche Vielfalt der Ersatzzahlungsmittel, die oft mit viel Einfallsreichtum und Improvisationsgeist entstanden. Fast verzweifelte Zeitkommentare wechseln in der Gestaltung ab mit dem Wunsch nach besseren Zeiten und in vielerlei Motiven sichtbar werdendem Heimatstolz.

Eine Zeit der tiefen Krise und massiver Umwälzungen spiegelt sich auf kleinen (meist) bunten Papierstreifen.

Die Ausstellung ist online unter www.bgv-rhein-berg.de zu entdecken; dort auch die aktuellen Standorte der Wanderausstellung, die Anfang April eröffnet wird.

*zerbasch = (ripuarisch/rheinischer Dialekt): „im Überfluss“


EXKURSIONEN

StadtRäume vor Ort


PRAKTISCHE HINWEISE ZU ENTDECKERTOUREN DURCH DAS RHEINLAND DER „ZWISCHENKRIEGSZEIT“

Die angebotenen Exkursionen im Rahmen des „StadtRäume“-Projektes sind auch als Anregung zu verstehen, um sich selbst auf Entdeckungsreise zu Orten der „Zwischenkriegszeit“ im Rheinland zu begeben. Das Informationssystem KuLaDig (Kultur. Landschaft. Digital) hält zu zahlreichen interessanten Objekten weitergehende Angaben bereit (https://www.kuladig.de). Mit der zugehörigen App können Sie die Informationen jeweils direkt vor Ort auf dem Smartphone aufrufen.

Der Verein Rheinische Industriekultur e.V. hat es sich zum Ziel gesetzt, das industriekulturelle Erbe der Region erlebbar zu machen. Entsprechende Routen, entlang derer man auf eigene Faust in die Industriegeschichte eintauchen kann, wurden bereits ausgearbeitet oder sind in der Entwicklung für Bonn/Siebengebirge, Köln („Via Industrialis“), Krefeld (Uerdingen), Leverkusen (Hitdorf/Monheim, Wiesdorf/Bayer AG, Schlebusch/Manfort, Opladen) und Neuss (Rhein-Kreis Neuss). Über rheinische-industriekultur.com haben Sie Zugriff auf alle Teilrouten.

Schon länger etabliert ist die „Route Industriekultur“, die das Ruhrgebiet erschließt (https://www.route-industriekultur.ruhr). 27 Ankerpunkte, 17 Panoramen und 13 Siedlungen im Rheinland und in Westfalen verbinden sich zu einer 400 km langen Themenroute, auf der es viele Objekte aus der „Zwischenkriegszeit“ zu entdecken gibt; allen voran das Weltkulturerbe Zeche Zollverein, wo sich auch das Besucherzentrum Ruhr als idealer Ausgangspunkt für die „Route Industriekultur“ befindet.


VORTRÄGE

VORTRAGSREIHE

MENSCHEN DER „ZWISCHENKRIEGSZEIT“ IM RHEINLAND

Angeboten wird eine Vortragsreihe, die an verschiedenen Orten im Rheinland durchgeführt werden wird; so beispielsweise in Bonn, Düren, Geldern, Köln und Mönchengladbach. Hier geht es darum, jeweils eine für die „Zwischenkriegszeit“ interessante Persönlichkeit im Kontext ihres ehemaligen Wirkungsortes vorzustellen.

Die Vorträge finden nicht nur vor Ort statt, sondern werden parallel online über die Plattform Calaios (www.calaios.eu) übertragen.

HERMANN PLATZ (1880–1945)

BONN

Der Romanist Platz erhielt 1919 einen Lehrauftrag an der Bonner Universität. 1924 erfolgte die Ernennung zum „Honorarprofessor f. Französische Geistes- u. Gesellschaftsgeschichte, Frankreichkunde“, gleichzeitig war Platz als Lehrer am Bonner Gymnasium tätig. Platz war Mitglied der Zentrumspartei und intensiv an Gruppenbildungen im Kontext einer katholischen Richtung beteiligt, die die Idee des „Abendlandes“ als Klammer für eine „gemeineuropäische Linie“ propagierte. Platz war maßgeblich an der Gründung und Redaktion der einflussreichen Zeitschrift „Abendland“ beteiligt. Im „Dritten Reich“ wurde ihm sein Lehrauftrag entzogen.

Donnerstag, 16.11.2023
18:30 Uhr
Dr. Willi Jung,
Universität Bonn, Romanisches Seminar
Institut Française,

Adenauerallee 35, 53113 Bonn

DER DÜRENER BÜRGERMEISTER DR. ERNST OVERHUES (1877–1972)

DÜREN

Als Dr. Ernst Overhues am 7. Juli 1921 zum Nachfolger des seit 1894 amtierenden Dürener Oberbürgermeisters August Klotz gewählt wird, tritt er sein Amt in einer für die Stadt Düren schwierigen Zeit an. Belastet wird sein Amtsantritt durch die Tatsache, dass er nur mit den Stimmen der absoluten Zentrumsmehrheit gewählt wird, während die anderen im Dürener Stadtrat vertretenen Parteien – Sozialdemokratie, Deutsche Demokratische Partei und Deutsche Volkspartei – sich für den langjährigen Dürener Beigeordneten Otto Kern ausgesprochen hatten. Hatte Klotz in seiner Amtszeit noch viele für eine Stadt wie Düren durchaus ungewöhnliche Projekte wie eigene Museums- und Theaterbauten, ein modernes Krankenhaus und andere soziale Einrichtungen oft mit Hilfe der reichen protestantischen Oberschicht realisieren können, so musste Overhues vor allem den Mangel verwalten. Bedrückende Lasten durch die britische, ab November 1919 die französische Besatzung, steigende Erwerbslosenzahlen, unkalkulierbare finanzielle Rahmenbedingungen durch die Inflation und nicht zuletzt das bizarre Intermezzo der mehrmonatigen „Separatistenherrschaft“ – in dem Overhues eine nicht gerade rühmliche Rolle spielt – kennzeichnen die ersten Jahre seiner Amtszeit. Die zweite Hälfte der 1920er-Jahre bindet vor allem viele Kräfte durch den teilweise erbittert geführten Streit mit Landrat Schaaff um die Auskreisung der Stadt aus dem Landkreis Düren, ein Vorhaben, mit dem schon sein Amtsvorgänger Klotz gescheitert war. Die Weltwirtschaftskrise und wiederum rasant steigende Erwerbslosenzahlen, verbunden mit grassierender Not in der Bevölkerung, überschatten schließlich seine letzten Amtsjahre, ehe er im März 1933 auf massiven Druck der Nationalsozialisten aus dem Amt scheidet und in seine Heimatstadt Menden zurückkehrt.

DONNERSTAG, 7.12.2023
19:00 Uhr
Bernd Hahne,
Trägerverein Stadtmuseum Düren e.V.
Stadtmuseum Düren,
Arnoldsweilerstraße 38, 52351 Düren

HERTHA KRAUS (1897–1968)

KÖLN

Als 26-jährige Ausländerin, Sozialdemokratin und Jüdin/Quäkerin wurde die promovierte Sozialwissenschaftlerin Kraus 1923 von Konrad Adenauer (Kölner Oberbürgermeister) als Stadtdirektorin zur Leiterin des Kölner Wohlfahrtsamtes berufen. Die Einrichtung der bis heute existierenden „Riehler Heimstätten“ in ehemaligen Kasernengebäuden gilt als ihr wichtigstes Werk – es war die größte derartige Einrichtung im Deutschen Reich.

Mittwoch, 8.11.2023
19:00 Uhr
Irene Franken,
Kölner Frauengeschichtsverein
Riehler Heimstätten (Städtisches Senioren- und Behindertenzentrum Köln-Riehl),
Boltensternstraße 16, 50735 Köln

UNTERNEHMERISCHE INNOVATIONEN UND DAUERKRISE - LUDWIG MIES VAN DER ROHE (1886-1969), DIE RHEINISCHE SEIDENINDUSTRIE UND DAS BAUHAUS IN KREFELD

KREFELD

Die 1920er-Jahre waren eine Zeit schwerster ökonomischer Krisen. Vor diesem Hintergrund erhielt Ludwig Mies van der Rohe 1931 von der Vereinigten Seidenwerke AG in Krefeld den Auftrag zu seinen weltweit einzigen Industriebauten. Das Ensemble an der Girmesgath und Industriestraße in Krefeld wurde weitgehend unter seiner Regie in mehreren Bauabschnitten realisiert. Der aus Aachen stammende Architekt war auf dem Weg zum Shootingstar der internationalen Architektur-Szene, als er für zwei der Direktoren des Seidenkonzerns erst ihre avantgardistischen Wohnhäuser und dann die zentrale Betriebsstätte für die Veredlung der Seidenstoffe entwarf. Ludwig Mies van der Rohe - eigentlich Maria Ludwig Michael Mies  - wurde 1886 in Aachen geboren. Im Jahr 1930 wurde er als Leiter an das Bauhaus in Dessau - später Berlin - berufen. Mit seiner Arbeit und seinen Innovationen war er einer der Wegbereiter und Mitbegründer der Klassischen Moderne - und ist noch immer einer der einflussreichsten Architekten der Welt. Die Hintergründe der Seiden-und Samtproduktion in Krefeld und am Niederrhein werden ebenso beleuchtet wie das Wirken der „Seidenbarone“ und ihrer Nachkommen. Es besteht im Anschluss noch Gelegenheit zum Besuch der ehemaligen Wohnhäuser der Verseidag-Direktoren, Haus Lange und Haus Esters (Wilhelmshofallee).

DIENSTAG, 28.10.2023 (Online-Vortrag)
19:00 Uhr
Stefanie van de Kerkhof,
Historisches Institut, Universität Mannheim
Mies van der Rohe Business Park,
Girmesgath 5, 47803 Krefeld

DER OPLADENER LANDRAT ADOLF LUCAS (1862–1945) UND DER „ERBAUER“ DES LEVERKUSENER BAYER-WERKS CARL DUISBERG (1861–1935) IM BRIEFWECHSEL

LEVERKUSEN-OPLADEN

Der eine war ein wichtiger Verwaltungsbeamter, der andere ein Wirtschaftsführer von nationaler Bedeutung: über viele Jahre tauschten sich der Opladener Landrat Adolf Lucas und der Industrielle Carl Duisberg in Briefform miteinander aus. Durch die Korrespondenz ergibt sich ein facettenreicher Einblick in die wechselvolle Geschichte vom Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus.

MITTWOCH, 3.1.2024
18:30 Uhr
Michael D. Gutbier M.A. und Philipp Schaefer M.A,
beide Opladener Geschichtsverein von 1979 e.V. Leverkusen
Villa Römer – Haus der Stadtgeschichte Leverkusen,
Haus-Vorster Straße 6, 51379 Leverkusen

JOHANN VIKTOR BREDT (1879–1940)

WUPPERTAL

Johann Viktor Bredt war Professor für Rechts- und Staatswissenschaft an der Universität Marburg. Einen thematischen Schwerpunkt seiner akademischen Arbeit bildete das Staatskirchenrecht, dem er sich in mehreren Publikationen widmete. Als konservativer Politiker gehörte er sowohl dem preußischen Abgeordnetenhaus als auch dem Reichstag an und war 1918 Mitbegründer der DNVP. 1930 war er kurzzeitig Reichsjustizminister. Die Familie Bredt ist ein altes Barmer (heute Stadt Wuppertal) Kaufmanns- und Fabrikantengeschlecht, dessen Angehörige zu den Honoratioren zählten und oft kommunale Ämter bekleideten. Johann Viktor Bredt war einziger Sohn des Großkaufmanns und Fabrikbesitzers Viktor Richard Bredt (1849–1881) und seiner Frau Amalie Molineus, die gleichfalls aus einer Honoratiorenfamilie stammte. 1930 wurde mit der Bildung einer neuen Reichsegierung Heinrich Brüning (1885–1970), der Vorsitzende der Zentrumsfraktion, beauftragt. Sie wurde nur von bürgerlichen Parteien der Mitte, inzwischen eine Minderheit im Reichstag, im Wesentlichen aber vom Vertrauen des Reichspräsidenten getragen. Die Wirtschaftspartei entsandte ihren Fraktionsvorsitzenden Johann Viktor Bredt als Justizminister ins Kabinett. Bredt konnte keine große Wirksamkeit in seiner Stellung entfalten. Als Reichskanzler Brüning den Reichstag am 18. Juli 1930 auflösen ließ und die Neuwahl des Parlaments am 14. September 1930 – die berühmtberüchtigten „Septemberwahlen“ – einen erdrutschartigen Erfolg für die Nationalsozialisten brachte, konnte die Wirtschaftspartei ihre Zahl der Mandate – 23 – unverändert halten, während SPD und die meisten Parteien der bürgerlichen Mitte geradezu dahinschmolzen. Aber auch Johann Viktor Bredt konnte sich dem Sog, der von den plötzlichen Wahlerfolgen der Nationalsozialisten ausging, nicht entziehen. Er glaubte, dass die NSDAP regierungsfähig sei und dass sie ihre zur Schau getragene Radikalität verlieren werde, wenn ihre führenden Leute einmal in verantwortungsvolle Ämter gewählt werden würden. Die zutiefst antidemokratische Programmatik und Haltung der Partei wurde von ihm verharmlost.

MITTWOCH, 6.12.2023
19:00 Uhr
Volkmar Wittmütz,
Bergischer Geschichtsverein, Abteilung Wuppertal e.V.

Ort wird noch bekanntgegeben


SEMINARE


KONZERTE

Konzerte

in Leverkusen und Jülich

Musik erlebte in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg eine rasante Entwicklung, sowohl im Bereich der ernsten wie der Unterhaltungsmusik.

Die Sopranistin Irmelin Sloman stellt für das StadtRäume-Projekt ein eigenes Musikprogramm zusammen, das tiefe Einblicke in das kulturelle Leben der Weimarer Republik erlaubt.

TANZ AUF DEM VULKAN

Musik ist ein Spiegel der Zeit, in der sie komponiert wurde. Sie berührt die Zuhörenden auf einer intuitiven, ungefilterten Ebene. Erleben Sie so das entflammende Selbstbewusstsein im Rheinland und die Solidarität im Ruhrkampf 1923! Und tauchen Sie mit uns ein in die entstehende Moderne, in die überschäumende Lebenslust im Berlin der „goldenen Zwanziger Jahre“! Wir beleuchten die Zusammenhänge zwischen der galoppierenden Inflation und dem Verfall des Wertesystems. Folgen Sie uns in einschlägige Nachtlokale aller Couleurs, in denen nicht nur freizügige Liebe und Homosexualität gelebt wurden, sondern auch Kokain und Opium konsumiert, Drogen, die man damals einfach in der Apotheke kaufen konnte! Auch die Schattenseiten der wilden Zwanziger finden Platz im Programm: Hyperinflation, Arbeitslosigkeit und bittere Armut, die – genau wie der Reichtum – zum Verfall der Sitten beitrugen. Sogar im gutbürgerlichen Milieu stand ein Abrutschen in Prostitution und Kriminalität an der Tagesordnung. Machen Sie sich auf ein spannendes Wechselbad gefasst! Zu Wort kommen Erich Kästner, Berthold Brecht, Klabund und andere Stimmen der Zeit zu Kompositionen von Kurt Weill, Hanns Eisler, Edmund Nick und vielen mehr.

Ein genreübergreifendes Konzert mit Schwerpunkt auf Musik der Zwischenkriegszeit zwischen Volksweise und Songs aus der Dreigroschenoper, zwischen Chanson und Tonfilmschlager von und mit Irmelin Sloman – Gesang / Moderation und Thomas Palm – Klavier

Irmelin Sloman – Sopran – verfügt als Künstlerin über ein breites Spektrum von Pantomime und Modern Dance über Commedia dell‘ Arte, Kindertheater und Performance bis zur Oper. Diese Vielseitigkeit erlaubt ihr ein ganz eigenes Profil in ihren ausdrucksstarken Interpretationen, besonders auch in ihren Genre übergreifenden Programmen. Seit einer Begegnung mit Gisela May begeistert sich Irmelin Sloman für das Chanson. Irmelin Sloman debutierte 1997 in der Kölner Philharmonie mit Werken des 20. Jahrhunderts. Schon während ihres Studiums war sie am Grillo Theater, Essen, engagiert und gastierte in den Folgejahren am Theater der Stadt Koblenz und am Nationaltheater Weimar. Ihre Konzerttätigkeit führte sie durch viele Länder Europas, in die USA und nach Südamerika. Dabei widmet sie sich neben dem Lied auch der Kammermusik. Irmelin Sloman und Thomas Palm gründeten 2004 das IRMELIN SLOMAN MUSIKTHEATER, das IST.

Thomas Palm – Klavier – gilt als einer der gefragtesten Liedbegleiter und Kammermusiker seiner Generation. Sein Debut als Solist hatte er mit Poulencs Klavierkonzert in der Kölner Philharmonie. Bereits während seines Studiums in Köln war er Klavierpartner und Assistent in der Liedklasse Dietrich Fischer-Dieskaus (1980–1984) und wurde vom Deutschen Musikrat für die Bundesauswahl „Konzerte junger Künstler“ ausgesucht. Seither konzertiert Thomas Palm auf den bedeutenden Podien Europas, Süd- und Nordamerikas und des Fernen Ostens. An der Düsseldorfer Robert-Schumann-Hochschule leitet er eine Klavierklasse. Nahezu 50 Einspielungen auf CD und weit über 100 Rundfunkproduktionen dokumentieren das weitgespannte künstlerische Spektrum des Pianisten.

Das Liedduo Sloman – Palm begeistert seit 1999 mit seinen einfallsreichen Programmen. Neben Auftritten in bedeutenden europäischen Konzertsälen gastierte es wiederholt beim Internationalen Kurt Weill Fest in Dessau, beim Beethovenfest Bonn und in der Villa Musica, Mainz, beim Schumannfest sowie im Düsseldorfer Altstadtherbst. Außerdem war das Duo im Rokokotheater Schwetzingen (Mozartfest) und auf verschiedenen Konzertpodien in Paris zu erleben.

SAMSTAG, 4.11.2023
Jülich,
Schlosskapelle der Zitadelle Jülich (17:00 Uhr)

SAMSTAG, 24.2.2024
Leverkusen,
Musikschule (17:00 Uhr)


Alle Konzerte sind hybride Veranstaltungen .


FILMVORFÜHRUNGEN

Kino / Filmreihe

in Leverkusen und Jülich

FILM IN DER WEIMARER REPUBLIK

Der Film als Medium der Unterhaltung, aber auch der Information, wurde in den 1920er-Jahren zu einem Massenphänomen. Selbst in kleineren Städten wie Jülich wurden Lichtspielhäuser eröffnet, die mehrere Vorführungen am Tag erlebten. Ende der 1920er-Jahre kam der Tonfilm auf, der das Kinoerlebnis revolutionierte. Die deutsche Filmindustrie stand in den Jahren der Weimarer Republik in voller Blüte. Aufwändige Produktionen mit der Lust am Experimentellen prägten die Leinwände, wobei so mancher Publikumserfolg nach der Einführung des Tonfilms rasch in Vergessenheit geriet. Im Rahmen von „StadtRäume“ veranstalten wir eine Reihe mit ausgewählten Filmen der 1920er- und frühen 30er-Jahre, die in Jülich im Kino im Kuba und in Leverkusen im Kommunalen Kino der Volkshochschule Leverkusen gezeigt werden.

KULTUR IM BAHNHOF (KUBA) JÜLICH
Bahnhofstr. 13, 52428 Jülich
Telefon: 02461 346643
Einlass jeweils 30 Min. vor Beginn
Reservierung: www.kuba-juelich.de/index.php/kinoreservierung/

KOMMUNALES KINO DER VHS LEVERKUSEN
Filmstudio im Forum
Am Büchelter Hof 9, 51373 Leverkusen
Telefon: 0214 4064184

KUHLE WAMPE ODER WEM GEHÖRT DIE WELT?

Berlin 1931. Vater Bönike und sein Sohn sind wie hunderttausend andere auch arbeitslos, Tochter Anni hat eine schlecht bezahlte Anstellung in der Fabrik. Als ihr Bruder sich das Leben nimmt und die Familie kurz darauf ihre Wohnung räumen muss, zieht sie in die Zeltkolonie „Kuhle Wampe“ vor den Toren Berlins. Anni überwirft sich mit ihrem Freund Fritz, von dem sie schwanger ist, und zieht zu ihrer Freundin Gerda. Anni und Fritz finden bei einem Fest wieder zueinander und auf der Heimfahrt kommt es zum berühmten Schlussdialog. „Wer soll denn die Welt verändern?“, fragt ein offensichtlich gut situierter Herr. Antwort Gerda: „Die, denen sie nicht gefällt.“ Ein Beispiel für den proletarischen Film mit Beteiligung am Drehbuch von Bertold Brecht. (Quelle: Filmportal)

DONNERSTAG , 21.9.2023
20:00 Uhr (Jülich)

DONNERSTAG, 18.1.2024
19:00 Uhr (Leverkusen)

EINTRITT
6,50 / erm. 6,00 € (Jülich)
5,00 € (Leverkusen)

REGIE
Slatan Dudow
D, 1932

DAUER
74 Min., frei ab 12 Jahren


WORKSHOPS / TAGUNGEN


Alle Workshops und Tagungen sind hybride Veranstaltungen .



Alle Vortrags- und weitere als hybrid oder virtuell gekennzeichnete Veranstaltungen können auch im virtuellen Veranstaltungsraum besucht werden.
 

Für alle Veranstaltungen ist eine vorherige Online-Anmeldung notwendig. Vielen Dank.
 


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