StadtRäume

StadtRäume der ‚Zwischenkriegszeit‘ im Rheinland und in Europa (1918–1939)

Die Jahre zwischen den Enden des Ersten Weltkrieges und den Anfängen des Zweiten Weltkrieges, die im deutschsprachigen Europa gemeinhin als „Zwischenkriegszeit“ bezeichnet werden, werden ganz unterschiedlich gedeutet: Je nach Blickwinkel unter anderem als „Urkatastrophe“ oder als „Höllensturz“, insgesamt aber als Phase besonders ausgeprägter politischer und wirtschaftlicher Instabilität und Krisenhaftigkeit. Im Fokus des Kooperationsprojektes zur Stadtentwicklung in der Zwischenkriegszeit in Europa (1918–1939) stehen acht europäische Städte. Die Forschung wird von den Geschichtsvereinen, Archiven, Museen, Universitäten etc. in den beteiligten Städten Bracknell (UK), Jülich (DE), Leverkusen (DE), Ljubljana (SI), Oulu (FI), Raciborz (PL), Schwedt/Oder (DE) und Villeneuve d’Ascq (FR) durchgeführt. Die Konzeption sowie die Koordination erfolgt durch den Opladener Geschichtsverein von 1979 e.V. Leverkusen in Verbindung mit dem Jülicher Geschichtsverein 1923 e.V. und der Universität zu Köln.

Das Projekt verfolgt mehrere Ziele: Im Mittelpunkt steht die Konzeption eines digitalen Filmbaukastens. Es handelt sich hierbei um ein innovatives Vermittlungskonzept für die historisch-politische Bildungsarbeit, das unterschiedlichste Adressaten ansprechen und multifunktional verwendbar sein soll. Die transnationale Zusammenarbeit erlaubt einen europäischen Vergleich der Stadtentwicklung, bei dem zum einen Gemeinsamkeiten wie Unterschiede in der äußerlichen Entwicklung, zum anderen die Entwicklung des städtischen (Geschichts-)Bewusstseins erkundet werden, um deren komplementäre Beziehung aufzudecken. Für Jülich und Leverkusen wird eine Doppelausstellung vorbereitet, die 2023/2024 von einem umfangreichen Kulturprogramm mit Vorträgen, Exkursionen, Konzerten, Filmvorführungen und Ausstellungen in der ganzen Rheinschiene begleitet werden wird. Dabei wird vor allem auf das Jahr 1923 fokussiert, das mit Hyperinflation, separatistischen Unruhen und Ruhrkampf von einer dichten Folge von Krisen geprägt war, in dem aber auch der Jülicher Geschichtsverein gegründet wurde.

Am Wochenende des Europatages (9.–11. Mai 2025) ist eine größere Veranstaltung mit den europäischen Partnern geplant. Einerseits soll dabei das bisher geleistete und erarbeitete vorgestellt werden, andererseits wird es darum gehen, gemeinsam das vorgesehene Nachfolgeprojekt „StadtRäume 2.0“ weiter zu konfigurieren.


AUSSTELLUNGEN

Ausstellung "Jülich – StadtRäume zwischen den Kriegen"

im Museum Zitadelle Jülich (bis 6.4.2025)

Die frühen 1920er-Jahre bedeutenden für den rheinischen Raum eine Zeit großer Herausforderungen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden weite Teile des Rheinlands unter Besatzung der Siegermächte Großbritannien, Frankreich und Belgien gestellt. 1923 eskalierte die Situation, als es zu einem separatistischen Aufstand kam. Gleichzeitig besetzten französische Truppen das Ruhrgebiet als Zwangsmaßnahme gegen das Deutsche Reich, das sich angesichts einer galoppierenden Inflation nicht mehr in der Lage sah, die auferlegten Reparationszahlungen zu bedienen. In der Folge kam es zu einem Generalstreik, den die Besatzungstruppen mit Waffengewalt verhindern wollten. Nur durch das besonnene Eingreifen der weiteren Siegermächte konnte die Gesamtsituation entschärft werden. Es mutet wie ein Wunder an, dass sich die Wirtschaft im Westen bald wieder erholte. Auch das Besatzungsregiment wurde konzilianter. So komplex und krisenhaft die Situation 1923 gewesen war, beging man schon zwei Jahre später im Rheinland mit großem Aufwand die sogenannte Jahrtausendfeier. Anlass war die vermeintlich 1000-jährige Zugehörigkeit des Rheinlands zum mittelalterlichen (Kaiser-)Reich. Rheinlandweit fanden Veranstaltungen statt, die dieses Jubiläum als Moment nationaler Selbstvergewisserung nutzten. Aus der Betrachtung der lokalen Geschichte der Zeit in Jülich ergibt sich ein facettenreiches Gesamtbild, das eine Bevölkerung zeigt, die hin und her gerissen war zwischen den spürbaren Nachwirkungen des verlorenen Ersten Weltkrieges mit den entsprechenden materiellen wie immateriellen Verlusterfahrungen sowie den sich ergebenden Möglichkeitsräumen einer sich teilweise rasant erneuernden Gesellschaft in der Demokratie der Weimarer Republik.

Der Opladener und der Jülicher Geschichtsverein haben parallel zur Ausstellung virtuelle Stadtrundgänge erarbeitet. Diese zeigen Orte, die uns etwas über unsere Stadt in der Zwischenkriegszeit verraten. Die Plätze und Gebäude stellen eine Verbindung her zu den Menschen von damals. Zu den Menschen, die diese Orte schufen oder mit Leben füllten. Sie helfen uns zu verstehen, was die Gesellschaft geprägt und bewegt hat, welche Möglichkeiten die Leute hatten oder vermissten. Begeben wir uns auf eine Entdeckungstour in das Leben vor 100 Jahren!


PRAKTISCHE HINWEISE ZU ENTDECKERTOUREN DURCH DAS RHEINLAND DER „ZWISCHENKRIEGSZEIT“

Die angebotenen Exkursionen im Rahmen des „StadtRäume“-Projektes sind auch als Anregung zu verstehen, um sich selbst auf Entdeckungsreise zu Orten der „Zwischenkriegszeit“ im Rheinland zu begeben. Das Informationssystem KuLaDig (Kultur. Landschaft. Digital) hält zu zahlreichen interessanten Objekten weitergehende Angaben bereit (https://www.kuladig.de). Mit der zugehörigen App können Sie die Informationen jeweils direkt vor Ort auf dem Smartphone aufrufen.

Der Verein Rheinische Industriekultur e.V. hat es sich zum Ziel gesetzt, das industriekulturelle Erbe der Region erlebbar zu machen. Entsprechende Routen, entlang derer man auf eigene Faust in die Industriegeschichte eintauchen kann, wurden bereits ausgearbeitet oder sind in der Entwicklung für Bonn/Siebengebirge, Köln („Via Industrialis“), Krefeld (Uerdingen), Leverkusen (Hitdorf/Monheim, Wiesdorf/Bayer AG, Schlebusch/Manfort, Opladen) und Neuss (Rhein-Kreis Neuss). Über rheinische-industriekultur.com haben Sie Zugriff auf alle Teilrouten.

Schon länger etabliert ist die „Route Industriekultur“, die das Ruhrgebiet erschließt (https://www.route-industriekultur.ruhr). 27 Ankerpunkte, 17 Panoramen und 13 Siedlungen im Rheinland und in Westfalen verbinden sich zu einer 400 km langen Themenroute, auf der es viele Objekte aus der „Zwischenkriegszeit“ zu entdecken gibt; allen voran das Weltkulturerbe Zeche Zollverein, wo sich auch das Besucherzentrum Ruhr als idealer Ausgangspunkt für die „Route Industriekultur“ befindet.


VERÖFFENTLICHUNGEN

Die Ergebnisse des „StadtRäume“-Projektes (https://star-urbs.eu/de/) werden umfassend dokumentiert. Der multilinguale und variable Filmbaukasten (Digital Clip Kit) ist auf Youtube abrufbar (https://www.youtube.com/@urbanspacesproject). Zwei weitere Youtube-Kanäle dokumentieren Projektveranstaltungen auf europäischer (https://www.youtube.com/@urbanspaces2023) und auf rheinischer Ebene (https://www.youtube.com/@stadtraeume). Hinzuweisen ist zudem auf das Themencluster „StadtRäume“ im virtuellen Portal Rheinische Geschichte (https://rheinische-geschichte.lvr.de/Aktuelles/Themencluster/stadtraeume-der-%22zwischenkriegszeit%22/DE-2086/lido/63ea3944f2dda6.91449709).

Bereits erschienen sind die Begleitpublikation zum StadtRäume-Kulturprogramm im Rheinland 2023/2024

Jülicher Geschichtsverein 1923 e.V./Opladener Geschichtsverein von 1979 e.V. Leverkusen (Hrsg.) StadtRäume. 1923 und die „Zwischenkriegszeit“ im Rheinland. Das Entdeckerbuch zum Kulturprogramm 2023/2024
Jülich/Leverkusen: Jülicher Geschichtsverein/Opladener Geschichtsverein 2023, 170 S., zahlr. Abb., ISBN 978-3-930808-22-9, 5,- €

und

Clips build History (CbHis) – Didaktisches Handbuch zur Verwendung des Digitalen Filmbaukastens (DCK)

Das im Open Access erschienene E-Book begleitet den multilingualen und variablen Filmbaukasten und erläutert die didaktischen Hintergründe sowie die Handhabung. Es ist auf der Projekthomepage unter star-urbs.eu/de/filmbaukasten abrufbar und wird fortlaufend aktualisiert.

sowie

Susanne Richter (Hg.)
Jülich zwischen den Kriegen. Verwaltungsbericht 1914–1938 – Edition
(Veröffentlichungen des Stadtarchivs Jülich, Bd. 1)
Aachen: Ammianus 2024, 464 S., 157 Abb., ISBN 978-3-945025-90-1, 29,90 € (Mitgliederpreis 25,00 €)

Weiterhin finden sich in Vorbereitung:

Modernization and Internationalization in European UrbanSpaces during the „Interwar“-Period (1918–1939). Bracknell, Jülich, Leverkusen, Ljubljana, Oulu, Ratibor, Schwedt/Oder und Villeneuve d‘Ascq
Die Ergebnisse des europäischen Projektes werden hier in englischer Sprache vorgelegt. Die Publikation ist zweigeteilt. Der erste Teil setzt sich mit den inhaltlichen Erträgen auseinander, der zweite Teil reflektiert die dreijährige Projektarbeit. Das Erscheinen ist für 2024 geplant.

Konkurrierende Grenzräume im historischen Vergleich. Die Rheinprovinz und die Provinz Oberschlesien nach dem Ersten Weltkrieg
Die Aufsatzsammlung dokumentiert eine gleichnamige Tagung, die Anfang Juni 2023 im Oberschlesischen Landesmuseum Ratingen stattgefunden hat. Das Erscheinen ist für 2025 angestrebt.

StadtRäume – 1923 und die Zeit zwischen den Kriegen im Rheinland. Krisen und Wendungen in Gesellschaft, Kultur, Politik und Wirtschaft
In mehreren Workshops, Studientagen und Fachtagungen wurden verschiedenen Aspekte der Stadtentwicklung in der „Zwischenkriegszeit“ im rheinischen Raum reflektiert. Der 2026 erscheinende Sammelband in der Reihe „Stadt und Gesellschaft“ bringt eine Auswahl der dort gehaltenen Vorträge in Aufsatzform und ergänzt damit das Themencluster „StadtRäume“ innerhalb des virtuellen Portals Rheinische Geschichte (s.o.).

Jülich und Leverkusen – StadtRäume zwischen den Kriegen
Die Begleitpublikation zur Doppelausstellung in Jülich und Leverkusen dokumentiert die Recherchen zur Geschichte beider Städte in der „Zwischenkriegszeit“. Der vergleichende Ansatz schärft den Blick für die spezifischen Entwicklungen sehr unterschiedlicher StadtRäume links und rechts des Rheins. Die Vorlage des Bandes ist für 2025 geplant.

Der Briefwechsel zwischen dem Solinger Landrat Dr. Adolf Lucas und dem „Erbauer“ des Leverkusener Bayerwerks Dr. Carl Duisberg
Knapp 50 Briefe sind erhalten, die sich Dr. Adolf Lucas und Dr. Carl Duisberg zwischen 1912 und 1935 geschrieben haben. Die Briefe haben häufig „Small Talk“-Charakter, ohne weitreichende politische Relevanz, sind aber biografisch bisweilen aufschlussreich. Zudem besteht der besondere Reiz der geplanten Edition darin, dass die Korrespondenz eines berühmten „Opladeners“ mit einem berühmten „Leverkusener“ an das Licht der Öffentlichkeit kommt.



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