SEiZiE: "Stadtentwicklung in der 'Zwischenkriegszeit' in Europa (1918-1939)"

Projektzeitraum: 2020 bis 2023

Ziel des Projektes wäre die Fortführung des Projektes zum Ersten Weltkrieg in der Absicht im Rahmen von Projektarbeit in den jeweiligen Städten und gemeinsamen Workshops (der Projektpartner aber auch von Lehrern, Schülern und Studenten), die unterschiedlichen Kriegsenden aufgreifend die jeweilige Stadtentwicklung im Untersuchungszeitraum darzustellen und zu vergleichen. Im Rahmen eines umfangreichen Projekts zur Stadtgeschichte wird in Leverkusen dabei versucht, die Stadtentwicklung im äußeren Erscheinungsbild der Stadt, in der Politik, in Vereinen, in der Infrastruktur (z.B. Architektur) usw. mit der mentalen Entwicklung innerhalb der Stadtbevölkerung, also mit den bestehenden Traditionen und dem städtischen Geschichtsbewusstsein zu kontrastieren. Dabei sollen Entwicklungen zum Vorschein kommen, bei denen eine gegenseitige Befruchtung und wechselseitige Einflüsse gelungen oder misslungen sind. Eine solche Vorgehensweise erscheint uns auch in den anderen Städten von Vorteil zu sein, damit stadtgeschichtliche Forschung zustande gebracht wird, die sich an den Bedürfnissen der jeweiligen Stadtgesellschaft ausrichtet. Spannend kann ein solcher Ansatz in Städten sein, in denen nach dem Ersten Weltkrieg verschiedene Bevölkerungsgruppen zusammengeführt wurden (Ljubljana, Ratibor) oder wo es in der Folgezeit zu städtischen Neugründungen erst gekommen ist (wie in Leverkusen, Bracknell, Villeneuve d’Ascq).

Im Rahmen einer solchen stadtgeschichtlichen Zusammenarbeit ist angestrebt, eine Fortsetzung des Films zu produzieren, der in der Ausstellung zum Ersten Weltkrieg zu sehen war. Gedacht ist dabei eine Art Filmbaukasten, der die Geschichte zwischen zirka 1918-1935 aus verschiedenen Perspektiven beschreibt, der unterschiedlich zusammengestellt werden kann, sodass er an unterschiedlichen Standorten und zu verschiedenen Zwecken (z.B. in Schule, Erwachsenenbildung, Ausstellungen usw.) zu erarbeiten. Die einzelnen Filmbausteine sollen dazu in verschiedenen Sprachen zur Verfügung gestellt werden.

Beabsichtigt ist, diesen Prozess in bewährter Zusammenarbeit mit den Projektbeteiligten des Ersten Weltkrieg-Projekts zu realisieren, damit die unterschiedlichen Sichtweisen Berücksichtigung finden können. Vorgesehen ist, das Projekt jeweils vor Ort durchzuführen, aber mindestens drei internationale Workshops zu veranstalten, bei denen die einzelnen stadtgeschichtlichen Projekte zusammengeführt und diskutiert werden können. Daraus können ggf. Sammelbände (oder ein Sammelband) hervorgehen. Vor allem aber sollen bei diesen Gelegenheiten die Filmsequenzen entstehen bzw. die Ideen und Texte für diese produziert werden. Vorzustellen, zu diskutieren und einzuarbeiten wären dabei auch die jeweils vor Ort vorhandenen nutzbaren Filmmaterialien (insb. Quellen).

Ein solches Projekt soll die Erkenntnis aus dem Ersten Weltkrieg-Projekt fortführen, dass es nicht gilt, „ein“ europäisches Bewusstsein auszubilden, sondern die jeweils nationalen, lokalen oder regionalen Erinnerungen zusammenzuführen und gemeinsam zu besprechen. Dazu würden Publikationen im o.g. Sinne, vor allem aber auch der Film nützlich sein können.

Für das Projekt sollen u.a. EU-Fördermittel eingeworben werden.

StaR/UrbS: StadtRäume. Eine europäische Kulturgeschichte zwischen 1918 und 1939 als multilingualer und variabler Filmbaukasten.

Im Rahmen des europäischen Kooperationsprojektes "Stadtentwicklung in der 'Zwischenkriegszeit' in Europa (1918-1939)", welches der OGV von 2020 bis 2023 mit vielen Partnern in acht europäischen Städten realisieren wird, strebt der OGV die Förderung des Teilprojektes "StadtRäume. Eine europäische Kulturgeschichte zwischen 1918 und 1939 als multilingualer und variabler Filmbaukasten" mit ERASMUS+ Mitteln an.

Absicht des Vorhabens ist es nicht, ein in den unterschiedlichen Staaten noch national gefärbtes Geschichtsbewusstsein durch ein europäisches zu ersetzen. Deshalb wird als Ausgangspunkt die Lokalgeschichte gewählt, indem 8 Städte beteiligt werden, die während der Zeit 1918-1939 in ganz unterschiedliche nationale Kontexte und politische Strukturen eingebunden waren.

Die lokalgeschichtliche Sicht auf die unterschiedlichen StadtRäume, die in kulturraum-semiotischer Perspektive als Konglomerat von materialen und mentalen Gegebenheiten und Veränderungen betrachtet werden, eröffnet einerseits die Möglichkeit, weite Kreise derjenigen einzubeziehen, die ohnehin in den einzelnen Städten Geschichtsforschung und -vermittlung betreiben, ob als Professionals an Universitäten oder städtischen Kultureinrichtungen oder als ehrenamtlich in Geschichtsvereinen. Beide Ebenen zueinander zu führen, gehört mit zu den Zielsetzungen des Projekts, weil in vorherigen Projekten die stadtgeschichtliche Arbeit gelegentlich durch mangelnde Kooperation beeinträchtigt wurde. Günstige Voraussetzungen insofern vor, weil die Kooperation zwischen den beteiligten Geschichtsvereinen bereits seit geraumer praktiziert wird, wie sich zuletzt in einem großen Projekt zum Ausdruck brachte, bei dem eine Ausstellung zu den „Kriegsenden in europäischen Heimaten“ konzipiert werden konnte, die 2018/19 mit großem Erfolg zunächst in Leverkusen und2019/20 im Museum Zitadelle Jülich gezeigt werden konnte und demnächst in Schwedt ausgestellt werden wird. Zugleich entstand neben einem dreisprachigen Ausstellungsführer eine umfangreiche Publikation, zu der – wie zur Ausstellung – sieben europäische Geschichtsvereine beitrugen. Diese Kooperation soll nunmehr ausgeweitet werden, indem mit dem Oulu (Finnland) ein weiterer Geschichtsverein und andererseits Museen und Universitäten in Ljubljana (Slowenien) und Oulu für die Zusammenarbeit gewonnen werden konnte.

Bereits im Anschluss an das vorausgegangene Projekt wurde die inhaltliche Ausrichtung auf die „Zwischenkriegszeit“ (1919-1938) und auf die Stadtgeschichte konzentriert, weil diese Zeit in den beteiligten Städten ein ausreichendes Maß an Ähnlichkeiten und Unterschieden bereitzuhalten verspricht. Dafür sprechen Gemeinsamkeiten zwischen Industrieort (Leverkusen, Ratibor) oder Garnisonsstädten (Jülich, Schwedt) oder, dass einige der Städte noch gar nicht als eigenständige Kommunen existierten  Bracknell, Leverkusen, Villeneuve d’Ascq).

Auf dieser inhaltlichen Ebene ist das beantragte Projekt der Geschichtswissenschaft verpflichtet und zielt darauf ab, neue Erkenntnisse zur Stadtgeschichte zu generieren, die zugleich dem internationalen Vergleich zugeführt werden können. Dabei ist von Bedeutung, dass einige der beteiligten Städte im Untersuchungszeitraum ihre staatliche Zugehörigkeit wechselten, während andere in der Folgezeit dasselbe Schicksal ereilte (Ljubljana, Ratibor,  Schwedt). Das ist einerseits für die (langfristige) Erinnerungskultur, andererseits in Hinsicht auf die Einflussgröße der nationalen Kultur von eminenter Bedeutung.

Denn ausgerichtet ist das vorliegende Projekt an einem kulturraum-semiotischen Konzept (s.o.). Auf der Basis dieser Konzeption soll die Relevanz des alltäglichen Lebens in Bezug auf die von der (Kommunal-) Politik bestimmten Stadtentwicklung (bspw. Architektur, Infrastruktur etc.) zum Vorschein gebracht werden.

Dabei handelt es sich um eine auf die Gegenwart übertragbare Kategorie, die im Rahmen des Projekts einerseits in ihrer in der Vergangenheit (vermeintlich) realen Ausprägung aufgearbeitet werden soll, andererseits aber – und damit ist der Kern des beantragten Projekts angesprochen– einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich werden soll. Aus diesem Grund steht im Zentrum des Vorhabens die Konzeption und Realisierung Digital Clip Kit’s (DCK) , der über eine Webpräsenz der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll. Dieser DCK wird aus einzelnen Clips bestehen, deren Inhalte von den einzelnen Kooperationspartnern vor Ort erarbeitet werden soll. Die Konzeption und Koordination dieser Arbeit erfordert das wiederholte Zusammenkommen aller Beteiligten, das in Form von halbjährlich an wechselnden Orten stattfindenden Workshops realisiert werden soll. Eine enge Zusammenarbeit ist notwendig, damit die Clips einem zu Beginn des Projekt gemeinsam zu erarbeitenden Muster entsprechen, was Voraussetzung dafür ist, dass sie in unterschiedlichen Kombinationen zusammengefügt werden können, so dass unterschiedliche Filme entstehen, die unterschiedlichen historischen Narrationen entsprechen: Clip based Stories (CbS). Gedacht ist dabei nicht nur an europäische, nationale oder lokale, bi- und multilateral vergleichende und multiperspektivische Narrationen, die an unterschiedlichen Lernorten, nicht zuletzt in historischen Expositionen, zum Einsatz gebracht werden können. Zugleich wird die Möglichkeit ins Auge gefasst, durch CbS monokausale und monoperspektivische Filmsequenzen entstehen zu lassen.

„1923 – Wendejahr der Weimarer Republik im Westen“

Für das auf das Rheinland bezogene Teilprojekt soll das Jahr 1923 als „Wendejahr der Weimarer Republik im Westen“ im Mittelpunkt der Überlegungen stehen: Die frühen 1920er Jahre bedeutenden für den rheinischen Raum eine Zeit großer Herausforderungen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden weite Teile des Rheinlands unter Besatzung der Siegermächte Großbritannien, Frankreich und Belgien gestellt. 1923 eskalierte die Situation als es zu einem separatistischen Aufstand kam. Gleichzeitig besetzten französische Truppen das Ruhrgebiet als Zwangsmaßnahme gegen das Deutsche Reich, das sich angesichts einer galoppierenden Inflation nicht mehr in der Lage sah, die auferlegten Reparationszahlungen zu bedienen. In der Folge kam es zu einem Generalstreik, den die Besatzungstruppen mit Waffengewalt verhindern wollten. Nur durch das besonnene Eingreifen der weiteren Siegermächte konnte die Gesamtsituation entschärft werden. Es mutet wie ein Wunder an, dass sich die Wirtschaft im Westen bald wieder erholte. Auch das Besatzungsregiment wurde konzilianter. So komplex und krisenhaft die Situation 1923 gewesen war, beging man schon zwei Jahre später im Rheinland mit großem Aufwand die sogenannte Jahrtausendfeier. Anlass war die vermeintlich 1000jährige Zugehörigkeit des Rheinlands zum mittelalterlichen (Kaiser-) Reich. Rheinlandweit fanden Veranstaltungen statt, die dieses Jubiläum als Moment nationaler Selbstvergewisserung nutzten. Aus der Betrachtung lokaler Beispiele ergibt sich ein facettenreiches Gesamtbild, das eine Bevölkerung zeigt, die hin und her gerissen war zwischen den spürbaren Nachwirkungen des verlorenen Ersten Weltkrieges mit den entsprechenden materiellen wie immateriellen Verlusterfahrungen sowie den sich ergebenden Möglichkeitsräumen einer sich teilweise rasant erneuernden Gesellschaft in der Demokratie der Weimarer Republik.

Auf der Basis historischer Recherchen, die angesichts auf Basis des skizzierten raumsemiotischen Forschungsansatzes teilweise den Charakter von Grundlagenarbeit haben werden (2021/2022), erfolgt die gemeinsame und gleichberechtigte Entwicklung (2022) und Durchführung von Veranstaltungsangeboten im Rheinland im Präsentationsjahr 2023, das sich nicht nur auf historische Aspekte konzentriert, sondern die Kultur der Zeit einem breiten Publikum öffnen will. Geplant sind Ausstellungen, Publikationen, Vorträge, Lesungen sowie Exkursionen und Workshops. Darüber hinaus sind vorgesehen: Konzerte, Filmabende, Tanzabende, „Revue der 20er Jahre“ sowie Durchführung von Unterricht nach Modellen der 20er Jahre mit Schulklassen in der Schule im LVR-Freilichtmuseum Lindlar wie auch Präsentation technischer Neuerungen der 1920er Jahre u.v.m. Zudem werden innovative Formen der Vermittlung wie etwa ein variabler Filmbaukasten und digitale Unterrichtsmaterialien entwickelt. Alle Angebote werden auf einer Projekthomepage in der Region und darüber hinaus bekannt gemacht, die mit Social-Media-Kanälen verknüpft werden. Eine einheitliche Dachmarke verstärkt die Wiederkennbarkeit und Zusammengehörigkeit der Veranstaltungen. In die Öffentlichkeitsarbeit werden Printmedien, Radio und (regionales) Fernsehen einbezogen. Programmheft, Flyer und Plakate dienen der Steigerung der örtlichen Reichweite.