Von Brüchen und Pipelines. OGV-Mitglieder besuchen im Rahmen des Stadträume-Projekts Schwedt und Potsdam.

Nach Treffen in Ljubljana sowie Leverkusen und Jülich im vergangenen Jahr stand Ende März die nächste Reise im Rahmen des internationalen Stadträume-Projekts auf dem Programm. Eine Delegation von rund 25 OGV-Mitgliedern reiste für fünf Tage nach Potsdam und in die Leverkusener Partnerstadt Schwedt.

Nach Treffen in Ljubljana sowie Leverkusen und Jülich im vergangenen Jahr stand Ende März die nächste Reise im Rahmen des internationalen Stadträume-Projekts auf dem Programm. Eine Delegation von rund 25 OGV-Mitgliedern reiste für fünf Tage nach Potsdam und in die Leverkusener Partnerstadt Schwedt.

In dem Potsdamer Kongresshotel, wo die Teilnehmer aus Leverkusen, Jülich und den europäischen Partnerstädten untergebracht waren, widmeten sich die insgesamt 82 Teilnehmer der Arbeit an dem geplanten interaktiven Filmbaukasten und diskutierten über die Geschichte der Zwischenkriegszeit. Darüber hinaus erkundeten sie im Rahmen des Begleitprogramms Potsdam.

Die stärksten Eindrücke hinterließ neben dem Besuch des Hauses der Wannsee-Konferenz aber sicherlich der eintägige Ausflug nach Schwedt. Die Leverkusener Partnerstadt an der Oder ist keine gewöhnliche Stadt. Geprägt ist sie zunächst von breit angelegten Straßen, die von mehrstöckigen Wohnblöcken gesäumt werden. Dominiert wird die Stadt von der großen Raffinerie der PCK, einem ehemaligen Kombinat aus DDR-Zeiten. Dort wird Rohöl, das mithilfe einer seit den 1960er Jahren bestehenden Pipeline aus Russland geliefert wird, zu verschiedenen Mineralölprodukten verarbeitet.

Die starke Prägung der Stadt durch dieses Unternehmen aus der Chemieindustrie, das auch der größte Arbeitgeber ist, erinnert sehr an Leverkusen. Die Leverkusener erfuhren auf ihrer Reise aber auch, welche Unterschiede zwischen den Städten bestehen. So ist Schwedt eine Stadt, die auf eine weit ältere Geschichte als Leverkusen zurückschauen kann. Sie war in preußischer Zeit die Residenzstadt der Markgrafen von Brandenburg-Schwedt, einer Nebenlinie der Hohenzollern. Das Schloss der Markgrafen jedoch steht heute nicht mehr. Nach den schweren Kämpfen zwischen Roter Armee und Wehrmacht 1945 war es ausgebrannt und wurde zu DDR-Zeiten abgerissen. An zentraler Stelle stehen heute an seiner statt die Uckermärkischen Bühnen Schwedt, wo die Delegationen des Stadträume-Projekts sehr herzlich von ihren Schwedter Gastgebern empfangen wurden.

Während in Leverkusen trotz der zahlreichen Spin-Offs des Bayer-Konzerns und der Schwierigkeiten durch den Monsanto-Kauf die Chemie- und Pharmaindustrie grundsätzlich weiterhin ein verlässlicher Beschäftigungsgeber in der Stadt ist, erlebte Schwedt nach der Wiedervereinigung 1990 einen erheblichen Strukturbruch. Von den einst fast 10.000 Arbeitsplätzen in der Raffinerie war zwischenzeitlich nur noch etwa ein Achtel in dem nunmehr privatisierten Unternehmen übrig geblieben. Die Zahl ist zuletzt wieder etwas angestiegen, ist von ihrem alten Niveau jedoch freilich weiterhin weit entfernt. Zeitgleich mit diesem wirtschaftlichen Einbruch verringerte sich auch die Einwohnerzahl Schwedts drastisch. Sie sank von rund 50.000 im Jahr 1990 auf derzeit knapp 30.000.

Umso beeindruckender ist vor diesem Hintergrund das bürgerschaftliche Engagement, das Auftritte mehrerer Theatergruppen und einer Jugend-Musikgruppe sowie ein Besuch des von einem Verein restaurierten Parkschlösschens Monplaisir während des Leverkusener Aufenthalts bezeugten. Insbesondere aus Leverkusener Sicht bewundernswert ist auch, dass die Stadt gleich drei Museen unterhält: Ein Stadtmuseum, ein Museum zur jüdischen Geschichte sowie ein Tabakmuseum, denn Schwedt war einst eine Hochburg von Tabakanbau und -verarbeitung.

Gedanklich und in Gesprächen präsent war während des gesamten Workshops der Krieg in der Ukraine. Auch für Schwedt steht derzeit einiges auf dem Spiel. Die PCK-Raffinerie ist ein eindrückliches Beispiel für die starke deutsche Abhängigkeit von russischer Energie. Zu den größten Anteilseignern der Betreibergesellschaft zählt neben Shell der russische Konzern Rosneft. Dieser wollte seinen Anteil jüngst eigentlich weiter ausbauen. Zwar fließt das Öl aus Russland weiterhin durch die Pipeline. Wie lange noch, ist angesichts wechselseitiger Boykottdrohungen zwischen Deutschland und Russland aber ungewiss.

Herzlichen Dank an unsere Gastgeber in Schwedt und die Organisatoren des Workshops! Die Arbeit am Stadträume-Projekt geht weiter – in diesem Jahr im Juli in Villeneuve d‘Ascq und im Oktober in Ratibor.