Vor 90 Jahren: Die Eingemeindung von Lützenkirchen nach Opladen 1930

Das Jahr 1930 hat als „Gründungsjahr“ der Stadt Leverkusen einen festen Platz in jeder geschichtlichen Betrachtung Leverkusens und wurde auch vom OGV in Newsletter- und Webbeiträgen aus verschiedenen Perspektiven thematisiert. Allerdings war auch Opladen, das seit 1975 zu Leverkusen gehört, im Jahr 1930 von einer kommunalen Neuordnung betroffen.

Das Jahr 1930 hat als „Gründungsjahr“ der Stadt Leverkusen einen festen Platz in jeder geschichtlichen Betrachtung Leverkusens und wurde auch vom OGV in Newsletter- und Webbeiträgen aus verschiedenen Perspektiven thematisiert. Allerdings war auch Opladen, das seit 1975 zu Leverkusen gehört, im Jahr 1930 von einer kommunalen Neuordnung betroffen. Doch anders als 1975, als Opladen seine Eigenständigkeit verlor, untermauerte es 1930 seinen Status als Kreisstadt des Rhein-Wupper-Kreises, da es selbst eine Kommune eingemeindete, nämlich Lützenkirchen. Ein Initiator dafür war die Sorge in der Politik und Verwaltung Opladens gegenüber den Expansionsbestrebungen der Metropolen Köln und Düsseldorf. Zu einer Eingemeindung in eine der beiden rheinischen Großstädte kam es jedoch nicht – im Zuge der Gründung Leverkusens vor 90 Jahren profitierte zunächst die Stadt Opladen von einer „Vereinigung“ mit der Gemeinde Lützenkirchen, die auch Quettingen umfasste.

Dort hatte man zunächst selbst eine Unabhängigkeit von der Bürgermeisterei Schlebusch und die Bildung einer eigenen Bürgermeisterei angestrebt, jedoch entwickelten sich die Umstände durch die Wirtschaftskrisen in den 1920er Jahren ganz anders. So erklärte der Gemeindevorsteher von Lützenkirchen, Karl König, gegenüber den Gemeindeverordneten: Die Not der Gemeinde ist ungeheuer. Die Gemeindehäuser sind in einem furchtbaren Zustande. Der Frost hat für mindestens eine halbe Million Schaden verursacht. Diesem stehen wir mit leeren Händen gegenüber. Weiterhin führte König aus, dass das Wegenetz nicht mehr unterhalten werden könne, der Wohnungsbau brach liege, dass Eisenbahnausbesserungswerk in Opladen eingehen würde und die Firma Tillmanns – größter Arbeitgeber der Gemeinde Lützenkirchen – den Anschluss an Neukirchen betriebe. Die Gemeinde war unter diesen Voraussetzungen nicht mehr lebensfähig; etwaige Selbstständigkeitspläne mussten aufgegeben werden.

Die Gemeindeverantwortlichen von Lützenkirchen sahen nun keine andere Möglichkeit mehr, als Verhandlungen über eine Eingemeindung mit der Metropole Köln und anderen Städten und Gemeinden zu beginnen. So stand in einer Erklärung der Stadt Köln Folgendes: Oberbürgermeister Adenauer hat in seiner letzten Unterredung erklärt: Köln nimmt die Verhandlungen mit den Gemeinden des Amtes Schlebusch ernst und wird sie weiterführen.

Aus der Stadt Opladen brachten die Stadtverordneten das Weiterbestehen von Lützenkirchens Einfluss als Argument für eine Eingemeindung nach Opladen hervor: Zwischen der Eingemeindung Lützenkirchens nach Köln und einer Vereinigung mit Opladen besteht ja der große Unterschied, daß Lützenkirchen in Köln keinerlei Einfluß ausüben könnte, während es in Opladen ein recht bedeutender Stadtteil wäre, der auch eine ganze Reihe von Stadtverordneten in die Stadtverordnetensammlung der Gesamtgemeinde schicken könnte und damit auf die Geschicke der Gesamtgemeinde einen maßgeblichen Einfluß ausüben würde. Beachtlich ist in diesem Zitat auch die dezidiert unterschiedliche Terminologie: Zur Debatte standen entweder eine „Eingemeindung nach Köln“, was eine weitgehende Entmündigung Lützenkirchens implizierte, oder eben eine „Vereinigung mit Opladen“, bei der gleich das Zugeständnis angedeutet wurde, dass die Stadtverordnetenversammlung der neu formierten Gemeinde mit einem offenen Ohr für die Belange Lützenkirchens agieren würde.

Die Debatte erfasste auch das zur Gemeinde Lützenkirchen gehörende Quettingen, wo eine – nach den Worten Rolf Müllers – „imposante“ Einwohnerversammlung im April 1929 stattfand. Der Tenor war eindeutig: Eine Eingemeindung nach Opladen ergab allein schon wegen der geographischen Nähe – insbesondere zum direkt an Quettingen grenzenden Ausbesserungswerk, das vielen Einwohnern der Gemeinde Arbeit gab – Sinn und erschien als das kleinere Übel. Bloß nicht nach Köln, lautete die überwältige Mehrheitsmeinung. Der Eintritt in Verhandlungen mit Opladen wurde beschlossen.

Am 29. August 1929 trat zum ersten Mal ein Eingemeindungsausschuss mit Vertretern aus Opladen und Lützenkirchen zusammen. Die Forderungen der Gemeinde Lützenkirchen gegenüber der Stadt Opladen entsprachen denen, welche man auch bereits der Stadt Köln bei Verhandlungen unterbreitet hatte. Zwar zeigte Opladen große Kompromissbereitschaft bei den Forderungen, dennoch gab es bis in den Januar des Jahres 1930 Stimmen für eine ganz andere Option, nämlich die einer Eingemeindung nach Wiesdorf.

Doch das entschiedene Vorgehen des Landrats Peter Trimborn drängte die bei ihren Verhandlungen zögernden Parteien schließlich in den Hintergrund. Der in Opladen sitzende Landrat des Landkreises Solingen schlug in seiner Initiative nämlich vor, Lützenkirchen ohne Dürscheid nach Opladen und Dürscheid wiederum nach Burscheid einzugemeinden. Rückblickend sollte Trimborn damit bereits vollendete Tatsachen schaffen, da ein Staatsministerialbeschluss seiner Empfehlung folgte und so für klare Verhältnisse sorgte – die Eingemeindung Lützenkirchens und Quettingens nach Opladen wurde also „von oben“ verordnet. Eine Weiterführung der Verhandlungen war aufgrund des Beschlusses obsolet geworden. Stattdessen sprachen die Verhandlungsparteien von Zwangseingemeindung oder sogar diktatorischem Vorgehen. Die Quellen des Stadtarchivs zeugen von gegenseitigen Vorwürfen und der Klage: Der Volkswille sei nicht einmal in Erwägung gezogen worden.

Am 1. April 1930 trat die Eingemeindung Quettingens und Lützenkirchens nach Opladen in Kraft, und damit am gleichen Tag wie der Zusammenschluss von Wiesdorf, Rheindorf, Schlebusch und Steinbüchel zur neuen Stadt Leverkusen. In den Opladener Zeitungen wurden das „Schlusswort“ des Gemeindevorstehers von Lützenkirchen, Karl König, und der „Willkommensgruß“ des Bürgermeisters der Stadt Opladen, Dr. Josef Brühl, abgedruckt. Am 10. April 1930 kam es zu einem ersten Treffen der Opladener Stadtverordneten mit den ehemaligen Gemeinderäten von Lützenkirchen im Rahmen eines gemeinsamen Spaziergangs durch die Gemeinde. Der offizielle Akt der Ämterübergabe folgte sechs Tage später, am 16. April 1930. Der General-Anzeiger berichtete nüchtern: Wie in Leverkusen […] so wurde auch gestern hier kurz und förmlich der Schlußstrich unter die Eingemeindung von Opladen und Lützenkirchen gezogen. Als Vertreter des Landrats erschien Assessor Dr. Kriele, die Stadt war vertreten durch Bürgermeister Dr. Brühl und Verwaltungsdirektor Ohligs, für das bisherige Amt Schlebusch nahm Bürgermeister Dr. Sürder an dem Akt teil, für Lützenkirchen Gemeindevorsteher König. Die Amtsübergabe von Lützenkirchen wurde vollzogen, und dabei wurden einige verbindliche Worte ausgetauscht, die auch auf wünschenswerte Grenzregulierung gegenüber Burscheid-Dürscheid hinwiesen.

Am gleichen Tag erfolgte die Auflösung der Stadtverordnetenversammlung. Dies war nötig, um die erste Kommunalwahl in der neuen Stadt Opladen am 13. Juli 1930 vorzubereiten, die den „Neu-Opladenern“ aus Lützenkirchen die Gelegenheit gab, sich in den neuen Stadtrat wählen zu lassen.

Mit der Eingemeindung Lützenkirchens stieg die Einwohnerzahl Opladens von 13.515 auf 18.273. Prozentual deutlich größer fiel die Vergrößerung des Stadtgebietes aus: Betrug die Fläche der Stadt Opladen vor dem 1. April 1930 insgesamt 598 Hektar, so wuchs die räumliche Ausdehnung der Stadt im Zuge der Eingemeindung um mehr als das doppelte: Die neue Stadt Opladen umfasste ab dem 1. April 1930 eine Fläche von 1.956 Hektar. Die knapp 5.000 Einwohner der ehemaligen Gemeinde Lützenkirchen verteilten sich auf einer weitläufigen Fläche mit vielen verstreuten Einzelhöfen.

Rolf Müller fasst in seiner meisterhaften Stadtchronik Opladens zusammen, dass der Übergang der Verwaltungsgeschäfte und auch der Vereinheitlichungsprozess insgesamt „im ganzen reibungslos“ vonstattenging. Als markante Ausnahme nennt er die unterschiedlich hohe Hundesteuer: Da in Opladen der Hundesteuersatz 36 Reichsmark im Jahr betrug, zuvor in Lützenkirchen aber nur 12 Reichsmark fällig wurden, kam es zu einem Sturm der Entrüstung und zu einem „allgemeinen Hundesterben“ in Lützenkirchen und Quettingen. In einem Punkt konnte die neu gebildete Stadtverordnetenversammlung den Wünschen der neuen Einwohner Opladens entsprechen: Im Zuge der durch die Gebietsreform nötige Änderung von einigen Straßennamen wurde beschlossen, dass die beiden Hauptverkehrsstraßen der ehemaligen Gemeinde Lützenkirchen nach den Orten Lützenkirchen und Quettingen benannt wurden. So erhielt fortan die Straße von der Maurinuskirche bis zur Rennbaumstraße den Namen „Lützenkirchener Straße“ (bisher: „Opladener Straße“), und der Straßenzug von Holzhausen bis zum „Burgloch“ an der Eisenbahnstrecke Köln – Wuppertal erhielt den Namen „Quettinger Straße“.

Literaturnachweis / Zitate: Rolf Müller: Upladhin – Opladen. Stadtchronik, Opladen 1974